Sternenguckers Nerv - Das Seeing

Na endlich...., nach Wochen deutschen Standardwetters reisst der Himmel auf. Und das noch so kurz vor Neumond... Spitze! Also, alle Termine absagen und raus das Teleskop! Naja, man muss natürlich noch ein bischen warten, bis das Kistchen kalt iat und dann loslegen. Beste Idee: Gut (nicht zuviel) essen. Und dann auch das noch: Eine hölleng... Durchsicht, boahh so viele Sterne hat man ja schon lange nicht mehr mit bloßen Auge gesehen. Na, das kann ja was werden.
Tja und dann erstmal den M 42 rein... 40 fach vergrößert und ... aaaah Wunderbar! Jetzt noch Trapez, die E- und F-Komponente und richtig vergrößerungsmässig nachlegen. Bei 200 fach müsste das doch machbar sein (hoff hoff). Stattdessen... ein einziges Gewabere, die Sternscheibchen zappeln nervös hin-und her, alles ist verschwommen....

Jetzt beginnt ein unangenehmes Kapitel im Astonomenleben (neben dem Thema "Wolken und Regen"), nämlich das des Seeings.
Was ist das nun wieder für ein Unsinn, den sich die Natur da wieder ausgedacht hat?

Kurz: es ist die Luftunruhe.
Und diese Luftunruhe wird natürlich beim Blick durchs Teleskop mitvergrößert, sprich, der optische Eindruck um den entsprechenden Vergrößerungsfaktor verstärkt. Zum Vergleich: Man kennt dieses Flackern der Luft an einem heissen Sommertag über einer Strasse. Auch das ist eine Form von Seeing. Sieht man sich dieses Geflackere nun einmal durch einen Fernglas an, erscheint es einem sehr verstärkt, da man es ja auch im Fernglas vergrößert.
Nichts anderes hat man auch in der Nacht im Okular. Und Seeing kann über Erkennen und Nichterkennen unterscheiden und einem so manche als wunderbar erhoffte Nacht verderben. Denn, wenns auch nur etwas zu stark flackert, erkennt man auf dem Jupiter oder Saturn eben nicht mehr viel, egal was man für ein Gerät sein eigen nennt. Die Sterne sind - trotz optimaler Scharfstellung - unscharfe kleine schwammige Scheibchen, Details auf dem Mond, die man sonst problemlos erkennen kann, verschwinden zu einer "amorphen Lichtmasse".
Es gibt drei verschieden Arten von Seeing:
a) das bodennahe Seeing welches durch Wärmeabstrahlung des Untergrundes zur Nacht hin auftritt
b) das "mittelhohe" Seeing, das durch Abluft/Abgase und natürlich auch Luftbewegung in den mittelhohen Luftschichten auftritt und das
c) das "hohe" Seeing, welches rein durch klimatische Bedingungen in der höheren Luftschichten (größer 1500 Meter) verursacht wird.
Nerven tut jedes Seeing. Man kann allerdings ein wenig drauf Einfluss nehmen, ob man sich dem Seeing aussetzt. So z.B. hilft es meist, die hochvergrößernden Beobachtungen am späteren Abend zu machen, da dann einerseits das bodennahe Seeing schwächer wird, die Abkühlung des Bodens gegenüber der Luft also schon soweit fortgeschritten ist, dass die aufsteigende Warmluft nicht mehr allzustark ins Gewicht fällt. Zudem beruhigen sich die Luftbewegungen der mittleren und auch hohen Luftschichtren in den späteren Nachtstunden häufig etwas. So habe ich es schon erlebt, dass man am frühen Abend fast hätte einpacken können, in der späteren Nacht hingegen genial ruhige Luftverhältnisse hatte.

Man kann den Seeingeinfluss noch weiter reduzieren: Indem man auf etwas geringere Öffnung zurückgreift bzw. eine vorhandene große Öffnung abblendet. Eine recht einschneidende Marge ist da die Öffnung von ca. 15 cm. Denn die seeingverursachen Luftschlieren formen sich häufig inform von blasenförmigen Strukturen mit eben ca. 15 cm Durchmesser. Und eine solche Luftschliere ist "zu groß" für beispielsweise eine 4-Zoll durchmessende Optik: Ein solches Gerät ist demnach wesentlich weniger Seeinganfällig, als ein entsprechendes Größeres.
Insbesondere für diejenigen unter uns, die aus der Stadt (Abgase, Heizungen etc. = zusätzliche Seeingfaktoren!!) beobachten und diese in Ermangeleung passender Verkehrsmittel auch nicht verlassen können, sei angeraten, auf max. 6" Öffnung zu gehen. Die seltenen Gelegenheiten, an denen auch größere Öffnungen (= teurer) ihre Qualität entfalten, sind für den "Normalstädter" allzuselten

Für die Beobachtung der helleren Planeten hier noch ein Tip: Hat man leichten Nebel oder Dunst, durch die man die Planeten noch gerade mit bloßen Auge gut erkennen kann, kann das die optimale "Planetennacht" werden. Denn: Dann "steht" die Luft und es bewegt sich i.d.R. nicht mehr viel. Und der leichte Lichtverlust macht sich bei den helleren Planeten nicht störend bemerkbar.


Und hier die Seeingskala von William Pickering zur Klassifizierung des Seeings in 10 Stufen

Die Vergrößerung - gar nicht so wichtig Die Ein- und die Austrittspupille

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